Eine Exkursion nach Rom und die intensive Auseinandersetzung mit der Stadt. Das Resultat sind diese Fotos und ein Text über meine Erfahrungen mit der römischen Architektur. Beides zeigt die Enge aber auch die Schönheit der italienischen Hauptstadt.
Verdichtung
Meine Reise durch Rom beginnt. Eine Woche in einer fremden Stadt, von der ich vorher schon so viel gehört und gelesen hatte. Kaum bin ich angekommen, fasziniert Sie mich. Ich werde eingesaugt in die Menschenmenge, die mich mit sich zieht. In einen Sog, der sich unaufhörlich durch die vielen Gassen bewegt.
Ich fühle mich verloren, zwischen diesen ganzen Gesichtern, die mir auf den Straßen begegnen. Sie blicken auf mich hinab und verfolgen meine Schritte. Ich biege um die nächste Ecke und spüre sie immer noch hinter mir. In jeder Gasse warten neue auf mich, um mich mit steinerner Miene zu beobachten. Sie wirken so fremd und kühl. Ihre Haut ist gezeichnet vom Klima. Manche sind trocken und verblasst, andere rau, rissig und vom Alter gezeichnet.
Und überall diese Augen.Weit geöffnete, gläserne Augen, in denen sich der blaue Himmel spiegelt, beobachten mich.
Der blaue Glanz nimmt ab, wird dunkler, grauer, fast schwarz und es beginnt zu regnen. Niemand bewegt sich, alle stehen einfach nur da. Schutz suche ich vergeblich. Die Hauseingänge bleiben mir verschlossen. Das Wasser rinnt ihnen vom Haupt, wie Sturzbäche, und plätschert durch die Gassen. Jetzt spucken sie mir vor die Füße, ich muss aufpassen, dass sie mich nicht anspucken und wende meinen Blick ab.
Dann wird es Nacht und alles verschmilzt miteinander zu einer Einheit, die in gelblich-oranges Licht getaucht ist. Plötzlich sehen sich alle noch ähnlicher. Dieselben Farben und dasselbe Licht zeichnen die hohen Figuren unvorteilhaft nach, die durch schmale Augen hinab starren. Wie in einem Labyrinth fühle ich mich, als würde ich mich im Kreis drehen.
Doch je länger ich hingucke, desto mehr kann ich erkennen. Ich beginne die Menschen, hinter ihren Fassaden, wahr zu nehmen. Auf einmal kommen sie mir weniger starr und abweisend vor, diese italienischen Gesichter.
Ich kann jetzt deutlich den stolzen Ausdruck erkennen. Sie wirken so selbstbewusst, wie sie dort im Zentrum stehen. Bei gleißender Sonne und strömendem Regen, seit so vielen Jahren schon. Gesunde Farben zieren ihre Seiten, obwohl sie Tag für Tag die schattigen Gassen Roms säumen müssen.
Genau da bin ich jetzt, mir wird schwindelig von dieser Stadt, zu der ich eine Woche hinauf geblickt habe. Sie hat mich aufgesogen und ich habe mich darauf eingelassen. Nun fühle ich mich wohl, zwischen den sonnigen Gemütern. Trotz ihren Makeln, die sie doch erst so charmant machen.
Wer genau hinschaut kann mehr entdecken, hinter den vermeintlich kühlen Fassaden, den terrakottafarbenen Gesichtern, den Stadthäusern Roms.
von Nora Taake
Römische Häuser
Fassaden gibt es da, brutal wie Kriegerfressen,
Von Abessinien träumen sie für alle Zeiten.
Und andere, mit kantig vorgebauten Erkern,
Erinnern an das stumpfe Kinn des Imperators.
Stirnfalten unterm Stahlhelm sind am Giebel
Im Sonnenlicht die bronzenen Liktorenbündel.
Dann gibt es welche aus poliertem Travertin,
Wie zarte Rind eischscheiben elegant gemasert.
Das sind die Bankfilialen, Assicurazioni: Bauten,
Die aus den dunklen Zeiten hell herüberstahlen,
Die Fenster eingefaßt, die hohen Eingangspforten.
Hochstapler sind es mit dem Ruf solider Perfidie.
Mir aber sind die Mietshäuserkästen lieb, in Ocker
Und Terrakottatönen mit den grünen Dachterrassen.
Sie singen von den Tagen trübsinniger Notare,
Den Zorn de Übermütter in den Einbauküchen.
Der Traum des biederen Faschisten waren sie,
Sowjetische Chimären eines Capri-Sommers.
So kurvenreich sind viele Straßen,
und so gern Gibt manche hier die Serpentine,
die Hyperbel, Daß sie die Futuristen-Yacht und den Palazzo-Bunker,
Granitgrau die Kommode mit dem Wellenschliff,
Davor, ein erster Tropengruß, die Fächerpalme.
von Durs Grünbein
An excursion to Rome and only a few days to deal with this intense city. The results are these photos and corresponding texts about my experiences with Rome’s architecture. Both show how cramped yet how beautiful the capital of Italy really is.
Verdichtung
Meine Reise durch Rom beginnt. Eine Woche in einer fremden Stadt, von der ich vorher schon so viel gehört und gelesen hatte. Kaum bin ich angekommen, fasziniert Sie mich. Ich werde eingesaugt in die Menschenmenge, die mich mit sich zieht. In einen Sog, der sich unaufhörlich durch die vielen Gassen bewegt.
Ich fühle mich verloren, zwischen diesen ganzen Gesichtern, die mir auf den Straßen begegnen. Sie blicken auf mich hinab und verfolgen meine Schritte. Ich biege um die nächste Ecke und spüre sie immer noch hinter mir. In jeder Gasse warten neue auf mich, um mich mit steinerner Miene zu beobachten. Sie wirken so fremd und kühl. Ihre Haut ist gezeichnet vom Klima. Manche sind trocken und verblasst, andere rau, rissig und vom Alter gezeichnet.
Und überall diese Augen.Weit geöffnete, gläserne Augen, in denen sich der blaue Himmel spiegelt, beobachten mich.
Der blaue Glanz nimmt ab, wird dunkler, grauer, fast schwarz und es beginnt zu regnen. Niemand bewegt sich, alle stehen einfach nur da. Schutz suche ich vergeblich. Die Hauseingänge bleiben mir verschlossen. Das Wasser rinnt ihnen vom Haupt, wie Sturzbäche, und plätschert durch die Gassen. Jetzt spucken sie mir vor die Füße, ich muss aufpassen, dass sie mich nicht anspucken und wende meinen Blick ab.
Dann wird es Nacht und alles verschmilzt miteinander zu einer Einheit, die in gelblich-oranges Licht getaucht ist. Plötzlich sehen sich alle noch ähnlicher. Dieselben Farben und dasselbe Licht zeichnen die hohen Figuren unvorteilhaft nach, die durch schmale Augen hinab starren. Wie in einem Labyrinth fühle ich mich, als würde ich mich im Kreis drehen.
Doch je länger ich hingucke, desto mehr kann ich erkennen. Ich beginne die Menschen, hinter ihren Fassaden, wahr zu nehmen. Auf einmal kommen sie mir weniger starr und abweisend vor, diese italienischen Gesichter.
Ich kann jetzt deutlich den stolzen Ausdruck erkennen. Sie wirken so selbstbewusst, wie sie dort im Zentrum stehen. Bei gleißender Sonne und strömendem Regen, seit so vielen Jahren schon. Gesunde Farben zieren ihre Seiten, obwohl sie Tag für Tag die schattigen Gassen Roms säumen müssen.
Genau da bin ich jetzt, mir wird schwindelig von dieser Stadt, zu der ich eine Woche hinauf geblickt habe. Sie hat mich aufgesogen und ich habe mich darauf eingelassen. Nun fühle ich mich wohl, zwischen den sonnigen Gemütern. Trotz ihren Makeln, die sie doch erst so charmant machen.
Wer genau hinschaut kann mehr entdecken, hinter den vermeintlich kühlen Fassaden, den terrakottafarbenen Gesichtern, den Stadthäusern Roms.
von Nora Taake
Römische Häuser
Fassaden gibt es da, brutal wie Kriegerfressen,
Von Abessinien träumen sie für alle Zeiten.
Und andere, mit kantig vorgebauten Erkern,
Erinnern an das stumpfe Kinn des Imperators.
Stirnfalten unterm Stahlhelm sind am Giebel
Im Sonnenlicht die bronzenen Liktorenbündel.
Dann gibt es welche aus poliertem Travertin,
Wie zarte Rind eischscheiben elegant gemasert.
Das sind die Bankfilialen, Assicurazioni: Bauten,
Die aus den dunklen Zeiten hell herüberstahlen,
Die Fenster eingefaßt, die hohen Eingangspforten.
Hochstapler sind es mit dem Ruf solider Perfidie.
Mir aber sind die Mietshäuserkästen lieb, in Ocker
Und Terrakottatönen mit den grünen Dachterrassen.
Sie singen von den Tagen trübsinniger Notare,
Den Zorn de Übermütter in den Einbauküchen.
Der Traum des biederen Faschisten waren sie,
Sowjetische Chimären eines Capri-Sommers.
So kurvenreich sind viele Straßen,
und so gern Gibt manche hier die Serpentine,
die Hyperbel, Daß sie die Futuristen-Yacht und den Palazzo-Bunker,
Granitgrau die Kommode mit dem Wellenschliff,
Davor, ein erster Tropengruß, die Fächerpalme.
von Durs Grünbein